29.

[55] Roma den 30ten Jüly1 1770


Mein schreiben aus Rom vom 27ten wirst Du erhalten haben. Ich habe Dir zu schreiben vergessen, daß der alte B: Tschudi gestorben und wir ein paar täge vor unserer abreise aus Neapl sein Begräbniß gesehen. Die Comp: von Sr Ex gr: Spaur habe dem B: Fridolino Tschudi ausgericht, er hat mir solche wieder aufgegeben. [55] Du wirst also bey gelegenheit solche auch von uns ausrichten. Du fragst, ob der Wolfg: dieopera schon angefangen hat. Daran wird noch nicht einmahl gedacht. Den ersten November must Du Dich bey uns desswegen in Mayland anfragen. Man weis noch nicht weder die Compagnie noch das Buch. Den primo huomo und den Tenor wissen wir izt, nämlichprimo uomo ist h: Sartorini welcher verflossenenCarnevale in Torino recitiert hat, und der Tenor il Sgr. Ettore. Den h: Sartorini haben wir hier in Rom gefunden; er kam gestern uns heimzusuchen. Dieser sagte daß er glaube, daß Nitteti2 die erste opera seyn werde. Basta! es hat noch seine gute weege. – – ob wir bey dem König gespielt haben? – – nichts wenigers! Es ist bey den puren Comp: geblieben, die uns die Königin aller Orten, wo sie uns sahe, gemacht hat. Die Königin kann nichts thun, und was der König für ein Subjectum ist, schicket sich besser zu erzehlen als zu beschreiben. Du kannst Dirs leicht einbilden wie es an diesem Hofe zugehet. Der junge Violinist La motte3 der in der käyserin Diensten ist, und auf ihre ordre und unkosten nach Italien gereiset ist, war lange zeit in Neapl und blieb 3 wochen länger, weil man ihm das Maul machte der König und die Königin werden ihn hören: und dennoch geschahe es nicht. Ich werde seiner zeit eine menge Lustige sachen von diesem hofe erzehlen. Du wirst auch das Portrait des Königs sehen. was hier vorgehen wird, hoffe Dir bald schreiben zu können. Ich war gezwungen theils noch das Hauß zu hütten, theils sehr langsam zu hinken, folglich habe noch bey Fürsten und Cardinälen meine Aufwartung nicht machen können. Die Ursache habe Dir im ersten Briefe verschwiegen: weil es nun aber itzt besser aussieht, so muß ich Dir den bösen zufall berichten. Du weist daß 2 Pferd und ein Postillion 3Bestien sind. auf der Letzten Post nach Rom schlug der Postillion das Pferd, welches zwischen den Stangen gehet und folglich die Sedia auf dem Rüggen trägt. Das Pferd stieg in die Höhe, verwickelte sich in dem mehr als spann diesen Sand und Staub und fiel mit gewalt nach der Seite zu boden, [56] riss folglich den vorderen theil der Sedia mit sich nieder, weil dieSedia nur 2 räder hat. Ich hielt den Wolfg: mit einer Hand zurück, damit er nicht hinausstürzte, mich riss aber die gewalt mit dem rechten fuss mit solcher gewalt an das mittlere Eisen des zurückfallenden spritzleders, daß ich das halbe schinbein des rechten fusses fingerbreit aufriss. NB Das spritzleder war nicht zum einhenken, es fiel also zurück. Die sache sahe den zweiten tag etwas gefährlich aus, weil der fuß sehr geschwollen war, ich bin gestern und heut meistens auf dem bette gelegen. heute aber, da dieses schreibe, ist es viel besser und die Wunde, die sehr lang ist. sieht gut aus, und fliesst sehr wenig mehr, habe auch keine schmerzen. Ich habe nichts als die weise salbe gebraucht, und dabey bleibe ich. Es muste vielleicht so geschehen, damit Du es mir sammt der Leinwath nicht umsonst eingepacket hast, nur ist mir leid, daß das Pflaster sehr wenig ist. Du must mir mit nächster Post schreiben wie man es machet. trift mich der Brief nicht mehr an, so wird mir h: Abbate Marcabruni solchen schon nachschicken. h: Abbate Crivelli hat meine fusskrankheit erfahren, und besuchte mich diesen nachmittag, zeigte mir auch den Taufschein. wir werden so bald ich besser bin, bey ihm speisen. Du darfst dich nicht sorgen, der fuß wird mit der hilfe gottes schon besser, nur verdrüsst mich, daß ich länger als ich glaubte in Rom mich verweilen muß, nicht wegen Rom, dann hier bin ich gerne, Rom gefällt mir, sondern wegen der Reise die wir zu machen haben. Gott wird uns beschützen. noch ist gar keine grosse hitze. sie wird aber kommen. Lebe Du und die Nannerl wohl, ich küsse euch beyde 1000 mahl und bin Dein alter

Mzt


aller orten unsere Empfehlung.

wo waren denn diese Hochzeiten? – – –

h: Marcobruni Empf. sich.

den obexer welcher Jesuiter war habe in Neapl gesprochen, auch einen Jungen Tiboni, der nun itzt hier ist.

Fußnoten

1 Verschrieben für Juni.


2 Wohl von A. Hasse.


3 Vgl. Wolfgangs Brief vom 6. Dezember 1783 (262).


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 57.
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