73.

[60] München den 26ten Septembre 1777


Mon trés cher Pére.


wir sind den 24ten abends um halbe 5 uhr glücklich in München angelanget; was mir gleich das neueste war, daß wir zur Mauth fahren musten, begleitet mit einen grenadier mit aufgepflanzten bajonette. die erste bekante Person die uns im fahren begegnete, war sigre Consoli1, welcher mich gleich kannte, und eine unbeschreibliche freude hatte, mich zu seben. er war den andern tag gleich bey mir. die freude von H. Albert2 kan ich nicht genug ausdrücken. er ist in der that ein grund Ehrlicher Mann, und unser sehr guter freund. nach meiner ankunft war ich bis zum essenzeit immer beym Clavier. H. Albert war noch nicht zu hause. hernach aber kam er, und wir gingen mitsammen herab zum tisch. Da traf ich den Mr sfeer, und einen gewissen secretaire seinen recht guten freund, an. beyde lassen sich empfehlen. wir kammen späth ins beth, und waren müd von der Reis. wir stunden doch schon um 7 uhr auf; den 25ten meine haar waren aber in einer solchen unordnung, daß ich vor 1/211 uhr nicht zum graf seeau kamm. als ich hinkamm, hiesse es, er seye schon auf die Jagd gefahren: geduld! ich wollte unterdessen zum Chorherrn Bernad gehen, – er ist aber mit dem Bron schmid auf güter gereiset. H. Bellval traf ich voll in geschäften an. er gab mir 1000 Complimenten auf. unter den mittag-essen kamm Rossi. um 2 uhr kamm Consoli, und um 3 uhr Beeché3 und H. von Bellval. ich machte meinevisite bey der F. von Durst; welche ich bey den franziskañern logirt. um 6 uhr machte ich mit H. Beché einen kleinen spazier gang. Es giebt hier einen gewissen Professor Huber, vielleicht [61] erinern sie sich besser, als ich, er sagt er hat mich das letzte mahl zu Wienn beym jungen H. von Mesmer4 gesehen und gehört. er ist nicht zu gross, nicht zu klein, bleich, weisse graue harr, und sieht in der Phisonomie den H. Unterbereiter nicht ungleich. Dieser ist auch eine Vice intendant du theatre: seine arbeit ist, die komödien die man aufführen will, durch zu lesen, zu verbessern, zu verderben, hinzuzuthun, hinweck zu sezen. Er kömmt alle abend zum Albert. er spricht sehr oft mit mir. heut als den 26ten freytag, war ich um 1/29 uhr beym graf Seeau, es war so, ich gieng ins haus hinein, und Mad. Nießer die Comödiantin gieng just heraus, und fragte mich; sie wollen gewis zum grasen? ja. er ist noch in seinem garten gott weis, wen er kömmt. ich fragte sie wo sein garten sey, ja, sagte sie, ich habe auch mit ihm zu sprechen, wir wollen mitsammen gehen. kaum kammen wir vors thor hinaus, so kamm uns der Graf entgegen, und war etwa 12 schritt von mir, so erkannte er mich, und nannte mich beym namen. er war sehr höflich. er wuste schon was mit mir forgegangen ist. wir giengen ganz allein und langsam die treppe hinauf; ich entdeckte mich ihm ganz kurz. er sagte ich sollte nur schnurgerade bey S: Churf. Durchl. audienz begehren. sollte ich aber, im fall nicht zukommen können, so sollte ich meine sache nur schriftlich vorbringen. ich bat ihn sehr, dieses alles still zu halten, – er versprach es mir. als ich ihn sagte, es gieng hier wircklich ein rechter Compositeur ab, so sagte er: das weis ich wohl! nach diesen gieng ich zum bischof in Chiemsee5, und war eine halbe stund bey ihm. ich erzählte ihm alles. er versprach mich sein möglichstes in dieser sache zu tun. er fuhr um 1 Uhr nach Nümphenburg, und versprach mir mit S. Chr: Durchlancht der Churfürstin gewis zu sprechen. sontag abends kommt der hof herein. heut Mittag waren wir gast bey H. von Belval, beymRasco; Er und sie, H. von Cori, Belval, Paßauer, alles läst sich empfehlen. alsdann giengen wir zur frau v. Durst. sie logirt im burgermeister schmadl haus über 3 stiegen. in 2ten stock logirt der H. von Cori. von da aus hollte uns H. Sigl, [62] (welcher nun 2 Monath verheyrathet ist) ab, und wir giengen alle mitsammen zur F. von Hofstetten; ihr herr ist nicht hier, wird aber bald kommen. Franz Dufresne ist Hoffrath, aber sine auro bis dato: nachdem führte Siegl meine Mama nach haus, die dem Beeche daß wort gegeben hat mit ihm in die Comoedie zu gehen, und ich begleitete s.v. Durst nach haus, und alsdann in die Comoedie, allwo wir uns antrafen. man spiellte: Henriette, oder sie ist schon geheyrathet. heut Vormittag um 1/212 uhr war ich mit Beeche bey der bildschönen frl. von Seau. die Frl: von Toßon hat eine sehr gute Partie getroffen. er heist Hepp. man sagt er seye sehr reich. H. Joannes krönner6 ist vice-Concert-meister deklarirt worden. und das durch eine grobe red. er hat zwey Sinfonien, (Dio mene liberi) von seiner Composition producirt: Der Churfürst fragt ihn: hast Du das wircklich Componirt? – – ja, Euer Churf. Durchl. von wem hasts dus gelernt? – von einem schulmeister in der schweiz – – man macht so viell aus der Composition – – dieser schulmeister hat mir doch mehr gesagt, als alle unsre Compositeurs hier mir sagen könten. heut ist der graf Schönborn und seine gemahlin die schwester des Erzb: angelanget. ich war just in derComödie: H. Albert sagte in Discurs daß ich hier seye. und erzehlte ihm, daß ich aus den Diensten bin. Er und sie haben sich verwundert. sie haben ihm absolument nicht glauben wollen, daß ich 12 fl. 30 kr. seeligen angedenckens, gehabt habe! sie wechselten nur Post sie hätten mich gern gesprochen. ich traf sie aber nicht mehr an. iezt aber bitt ich, daß ich nach ihren umständen und ihrer gesundheit mich erkundigen darf. Ich hoffe wie auch meine mama daß sich beyde recht wohl befinden. Ich bin immer in meinen schönsten Humor. mir ist so feder leicht ums herz seit dem ich von dieser Chicane weg bin! – – ich bin auch schon fetter. H. von Wallau hat mich heut im theater gesprochen. und der gräfin Larose habe ich meine visite in der loge gemacht. Nun muß ich doch meiner Mama auch ein bischen plaz machen. ich bitte an die ganze hochansehnliche schützen-Compagnie, von 3 gliedern Complimenten zu entrichten. nemlich von meiner Mama, mir, [63] und Mr Novac welcher täglich zum Albert kömmt. leben sie unterdessen recht wohl, Mein Allerliebster Papa; ich küsse ihnen unzählige Mahl die hände, und Meine schwester die Canaglie, umarme ich.7

Fußnoten

1 Der Kastrat T. Consoli wie auch die im weiteren Verlauf des Briefes genannten Personen waren Münchener Bekannte der Familie Mozart.


2 Ein Wirt in der Kaufingerstraße, bei dem Mozarts abstiegen.


3 Der Flötist in der churfürstlichen Hofkapelle, der nicht mit dem Wallersteiner Intendanten gleichen Namens zu verwechseln ist.


4 Ein Vetter des Dr. Anton Meßmer, Schuldirektor in Wien.


5 Graf Ferdinand von Zeyll.


6 Wohl Johannes von Crönner, der 1778 in Pension ging.


7 Folgt eine Nachschrift der Mutter. – Antwort des Vaters: (28.) 29. September.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 64.
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