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[185] Paris le 24 di mars 1778


Mon trés cher Pére.


gestern Moñtag den 23ten nachmittag vier uhr sind wir gott lob und danck glücklich hier angekommen; wir sind also 9 täg und einen 1/2 auf der Reise gewesen. wir haben geglaubt wir können es nicht aushalten. ich hab mich mein lebetag niemahl so ennuirt. sie können sich leicht vorstellen was das ist, wenn man von Mannheim und von so viellen lieben und guten freunden wegreiset, und dann zehnthalb täge, nicht allein ohne diese gute freunde, sondern ohne menschen, ohne eine einzige Seele, mit der man umgehen oder reden könnte, leben muß. Nun sind wir gott lob und Danck an ort und end. ich hoffe mit der hülfe gottes wird alles gut gehen. heute werden wir einen fiacre nehmen, und grimm und wendling aufsuchen. morgen frühe werde ich aber zum khur-Pfälzischen Minister h: v. Sückingen (welcher ein grosser kenner und Passionirter liebhaber von der Musick ist, und an den ich 2 briefe von h: v: gemmingen und Mr Cannabich habe) gehen. ich hab vor meiner abreise zu Mannheim dem h: v. gemmingen1 das Quartett welches ich zu Lodi abends im wirthshaus gemacht habe, und dann das Quintett, und die variationen von fischer abschreiben lassen. er schrieb mir dann ein besonders höfliches Billet, bezeugte sein vergnügen über das andenken so ich ihm hinterlasse, und schickte mir einen brief an seinen sehr guten freund, h: v. Sückingen, mit den Worten. ich bin versichert, daß sie mehr Empfehlung für den brief seyn werden, als er es für sie seyn kann. und um die schreibkösten zu ersezen, schickte er mir 3 Louisd'or. Er versicherte mich seiner freundschaft und bat mich um die meinige. ich mus sagen daß alle Cavallier, die mich kannten, hofräthe, kammerräthe, andere Ehrliche leute, und die ganze Hof Musick sehr unwillig und betrübt über meine abreise war. Das ist gewis wahr. Samstag den 14ten reiseten wir ab, und Donnerstag vorher war [185] noch eine accademie nachmittag bey Cannabich, allwo mein Concert auf 3 Clavier gespiellt wurde. Madelle Rosl Cannabich spiellte das Erste, Madelle Weber das zweyte, und Madelle Pierron (serarius unser haus-Nymphe,) das dritte. wir haben 3 Proben gemacht, und es ist recht gut gegangen. Die Madelle Weber hat 2 arien von mir gesungen, die Aer tranquillo von Rè pastore, und die neue, non sò d'onde viene. mit dieser lezten hat meine liebe weberin sich und mir unbeschreiblich Ehre gemacht. alle haben gesagt, daß sie noch keineAria so gerührt habe, wie diese; sie hat sie aber auch gesungen, wie man sie singen soll. Cannabich hat gleich wie die aria aus war laut geschrien: bravo, bravissimo maestro. veramente scritta da maestro. hier habe ich sie das erste mahl mit den instrumenten gehört. ich wollte wünschen sie hätten sie auch gehört, aber so wie sie da producirt, und gesungen wurde, mit dieser accuratesse im gusto, piano undforte. wer weis, vielleicht hören sie sie doch noch – ich hoffe es. Der orchestre hat nicht aufgehört diearia zu loben, und davon zu sprechen. ich habe sehr vielle gute freund zu Mannheim (und ansehnliche – vermögende –), die sehr wünscheten mich aldort zu haben. je nu, wo man gut zahlt, dort bin ich. wer weis, vielleicht geschieht es. ich wünsche es; und mir ist auch immer so – ich habe immer noch hoffnung. Der Cannabich ist ein Ehrlicher, braver Man, und mein sehr guter freund; Nur den fehler hat er, das er, obwohl er nicht mehr gar jung, ein wenig flichtig und zerstreut ist. wenn man nicht immer an ihm ist, so vergist er auf alles; aber wen von einen guten freünd die rede, so spricht er wie ein vieh, und nimmt sich gewaltig an, und das giebt aus, denn er hat credit. übrigens aber, von höflicher Danckbarkeit kann ich nichts sagen, sondern muß bekennen, daß die weberischen, ungeachtet ihrer armuth und unvermögen, und obwohlen ich ihnen nicht so viell gethan habe, sich mehr danckbar bezeugt haben; denn dieMadme und Mr Cannabich haben kein wort zu mir gesagt, will nicht sagen von einen kleinen andencken, wenns auch ein bagatelle wäre, nur um ein gutes herz zu zeigen; so aber gar nichts, und nicht einmahl bedanck mich, wo ich doch wegen ihrer tochter so viell zeit verlohren, und mich so bemühet habe; sie [186] kann sich auch izt überall ganz gewis hören lassen. als ein frauenzimmer von 14 jahren, und dilettante, spiellt sie ganz gut; und das hat man mir zu dancken, das weis ganz Mannheim. sie hat izt gusto, triller, tempo, und bessere applicatur, welches sie vorher nicht gehabt hat. so in 3 Monathen werde ich ihnen starck abgehen – denn ich fürchte sie wird wieder verdorben, und sich selbst verderben; denn wen sie nicht immer einen Meister, der es recht versteht um sich hat, so ist es umsonst; denn sie ist noch zu kindisch, und flichtig, um mit ernst sich allein nutzbar zu exerziren. Die weberin hat aus guten herzen 2 paar täzeln von filét gestrickt, und mir zum angedencken, und zu einer schwachen erkenntlichkeit verehrt. Er hat mir, was ich gebraucht habe, umsonst abgeschrieben, und Noten-Papier gegeben; und hat mir die Commödien vomMoliere (weil er gewust hat, daß ich sie noch niemahl gelesen,) geschenkt, mit der iñschrift: Ricevi, Amico, le opere del moliere in segno di gratitudine, e qualche volta ricordati di me. und wie er bey meiner Mama allein war, sagte er: izt reist halt unser bester freünd weg, unser wohlthäter. ja das ist gewis, wenn ihr h: Sohn nicht gewesen wäre, der hat wohl meiner tochter viell gethan, und sich um sie angenommen, sie kann ihm auch nicht genug danckbar seyn; deñ tag, ehe ich weggereiset bin, haben sie mich noch beym abendessen haben wollen, weil ich aber zu hause hab seyn müssen, so hat es nicht seyn können. Doch habe ich ihnen 2 stunde bis zum abendessen noch schencken müssen. Da haben sie nicht aufgehört sich zu bedancken, sie wollten nur wünschen sie wären im stande mir ihre erkentlichkeit zu zeigen. wie ich weg gieng, so weinten sie alle. ich bitte um verzeihung, aber mir kommen die thränen in die augen, wenn ich daran dencke. er gieng mit mir die treppe herab, blieb unter der hausthür stehen, bis ich ums Eck herum war, und rief mir noch nach. Addieu. Die unkösten der reife, für Essen, trincken, schlaffen und trinckgeld belaufen sich über 4 Louisd'or; denn wie weiter wir in franckreich kammen, wie theuerer wurde es. Denn augenblick erhalte ich ihren brief von 16ten übrigens seyen sie ohne sorge, ich werde meine sache gewis gut machen. Nur das bitte ich sie, das sie in ihren briefen einen guten humor zeigen; und wenn [187] ihnen der krieg zu nahe kommt, so reisen sie zu uns. Meine Empfehlung an alle gute freünd und freündinen. ich küsse ihnen 1000 mahl die Hände, und meine schwester umarme ich vom ganzen herzen und bin dero gehorsammster sohn

Wolfgang Amadé Mozart2

Fußnoten

1 Otto Freiherr von Gemmingen (1755–1836), der Verfasser einer »Mannheimischen Dramaturgie« (1779) und des Dramas »Der deutsche Hausvater« (1780).


2 Folgt ein Brief der Mutter. – Antwort des Vaters: 6. April.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 188.
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