177.[5] 1 [an Gattin und Sohn]

Salzburg den 6 Aprill 1778.


Wir hatten heute das sehnlichst gewünschte vergnügen Euern schon den 24 Merz geschriebenen Brief zu erhalten. Ich war um so mehr für diese Reise besorgt, weil wir eben zu derselben Zeit hier das abscheulichste Wetter hatten, und ich gar wohl weis, was es ist mit Rosslehnern zu reisen. gott lob, daß ihr gesund angelangt. für euere zehrungskosten war mir auch schon bange, dann in Italien ist es noch weit besser, man weis den Preis à pasto zu leben, aber in Frankreich muß man vorher accordieren (welches sie nicht gerne thun wollen) sonst wird man jammerlich geschoren. ich schrieb euch nichts davon, weil ich damals als sicher glaubte ihr werdet mit dem Postwagen gehen. wo man sich nach anderen Leuten richten kann. Basta! ihr seyd (gott Lob) glücklich angelangt. itzt empfehle ich Dir nachdrücklichst Dir durch ein vollkommenes Kindliches Vertrauen recht die gnade, Liebe und Freundschaft des h: Baron von Grimm zu verdienen, oder vielmehr solche zu erhalten, ihn in allen Stücken zu Rath zu ziehen, und nicht aus aigenem Kopf oder vorgefasster Einbildung zu thun, und durchaus auf Dein und dadurch auf unser gemeinschaftliches Interesse bedacht zu seyn. Die Lebensart in Paris ist von der teutschen sehr unterschieden, und die art im französischen sich höflich auszudrücken, sich anzuempfehlen, Protecktion zu suchen, sich anzumelden x: hat ganz etwas aigenes, so, daß h: Baron von Grimm mir eben auch damals anweisung gab, und mich fragte, [5] was ich sagen und wie ich mich ausdrücken sollte. Sage ihm nur, nebst meiner gehorsamsten Empfehlung, daß ich Dir dieses erinnert habe, und er wird mir recht geben. Ich hab noch vorschriften in Händen, die er mir machte, um Billets an Personen vom Rang zu hinterlassen, wenn ich solche nicht sprechen konnte, und wie oft schrieb ich mit der petite Poste an M. Grimm um ihn um Rath zu fragen, oder ihm Nachricht zu geben, da wir wegen der weiten entlegenheit der Rüe St: Antoine, und der Rue neuve Luxembourg einander nicht sprechen konnten. Was diesen Punkt nun betrifft bin ich zum voraus überzeugt, daß Du Dich immer an diesen unsern gewissesten freund halten wirst. Du hast meinen Brief, den ich an h: Mayr addreßiert, erhalten: ich gab Dir Nachricht. daß ich den h: Gschwendner gebeth: daß er seinem Bruder schreiben möchte, im falle eines nötigen geldmangels Dir beyzustehen. ich that es aus vätterlicher Vorsorge; wünsche aber, und hoffe, daß ihr geld herauszunehmen nicht gezwungen seyn möchtet, dann ihr wist erstlich wie wir stehen, und daß itzt schon genug ocuhedfg bfcu, und nicht wlfo, wfl fcu lo blzmueln wlrde2, und zweytens macht es sehr viel aufsehen hier, und macht Dir keine Ehre, mich aber setzet es in verachtung, wenn mañs erfährt, daß fcu lhcu faalr gled ocufckln ahoo3. ist es aber die höchste Nothwendigkeit, ie nun, in gottes nahm: ihr därft dem h: B: v Grimm alles sagen, ich hab ihm alle unsere Umstände, auch alle unsere ocuhedln4 in zween langen Briefen geschrieben, und mich in vielen Stücken, die verfolgung und die verachtung die wir vom lrzbfocusoo5 ausgestanden, betrefend auf Deine mindliche Erzehlung berufen, ich hab ihm erzehlt, daß er nur dann höflich geschmeichelt, wenn er etwas nötig hatte, und er Dir für alle Compositionen nicht einen Kreuzer bezahlt hat; du kannst ihm mein Elend vorstellen. könntest Du, wie Hañauer6, wie der seel: schobert x: von einem Prinzen in Paris einen monatl: gehalt bekommen, – dann nebenbey fürs Theater, fürs Concert spirituel und fürs Concert [6] des amateurs zu zeiten etwas arbeiten, – und dann einige mahl par subscription etwas gravieren lassen – ich aber und Deine schwester Lection geben, und Deine schwester in Concerten und accademien spielen, so würden wir gewiß recht gut zu leben haben. Du wünschest daß ich in meinen Briefen einen guten humor zeigen möchte. mein lieber Wolfgang! Du weist, daß die Ehre mir mehr als mein leben gilt. – überlege den ganzen hergang der Sache – denke, daß ich bis itzt tiefer in ocuhedln7 gerathen; da ich durch dich mich herauszureissen gedachte. – Du weist ich stehe hier bey iedermann inCredit –, so bald ich diesen verliere, ist auch meine Ehre hin: – die freundschaft und das Wohlwollen der Kaufleute dauert aber nur so lange, als man mit der Bezahlung richtig zuhält – bleibt diese zu lange aus, so ist die freundschaft der Welt verlohren! – und der lrzbfocusoo8? – – sollte wohl dieser das vergnügen haben zu hören, daß unsere Sache schlecht stünde, und darüber lachen – darüber spotten können? – Ich würde in solchem falle des gähen Todes hinfallen. Da ich euer schreiben erhalten, wurde ich augenblicklich bey Durchlesung desselben in die beste Laune versetzt. Wir brachten also gleich allen Leuten, die uns sorgfältigst immer fragten, die gute Nachricht, daß ihr gesund und glücklich in Paris angelangt. Ich im Arcoischen Hause und die Nannerl im Hagenauerischen und bey den Mölkischen x: die sich alle empfehl. – Du weist das ich an das Nachdenken und überlegen gewohnt bin, sonst würde ich meine Sachen niemals so weit gebracht haben, da ich niemand hatte, der mir rathen konnte, und ich von jugend auf niemand völlig mich anvertrauete, bis ich nicht sichere Proben hatte. Sehe nur meine Brüder und mich an, und Du wirst die folgen meines überlegens und Nachdenkens mit Händen greifen, wenn du den Unterschied zwischen uns bedenkest; da ich also von Jugend an zur überlegung gewohnt bin, wie kannst Du mirs verdenken, wenn mir eine so wichtige das wohl aller der meinigen betrefende höchst wichtige Sache tag und Nacht am Herzen liegt? – Eine Sache die mich selbst, und die jene Personen angehet die mir [7] das liebste von der ganzen Welt sind. – Ich sollte, wenn ein Krieg zu nahe kommen sollte, gleich zu euch reisen. ja, nicht nur wenn ein Krieg ausbricht, sondern auch ohne Kriegsgefahr. – allein ich muß vorher die ocuhedln blzmueln können, sonst bleibt uns zu wlnfg gled9 zum reisen. Mein guter Humor hängt von Deinen Umständen an, mein lieber Sohn, diese machen mich gesund, so viels für mein alter möglich ist, und ich empfinde, daß mich Deine werkthätige Bemühung und Sorge, mich aus unserm Jammerthale zu reisen, gesund macht. Hast Du einmahl erstlich auf das Wohl Deines vatters gedacht, so wird dieser auch fortfahren auf Dein Wohl und vergnügen zu denken und Dir als Dein wahrer freund beyzustehen. Das Hoffe ich auch von Dir und diese Hofnung macht mich aufleben, macht mich vergnügt, macht mich fröhlich. Was Du mir von der wenigen Dankbarkeit des Mr. Cmnmbfcu10 schreibst habe ich dir ja schon in meinem vorigen Briefe vorgesagt. arme Leute, die Ehre im Leib haben, sind allzeit erkäntlicher als auf ihren Rang und Ansehen Stolze, die ihre wahre Ehre dem Stolz einer eingebildeten Ehre aufopfern und alles als eine schuldigkeit ansehen, was man ihnen zu gefahlen thut, und Dich vielleicht durch etliche Mahlzeiten belohnt zu haben glauben. weist Du was mir h: v Grimm, da er DirCmnmbfcuo11 Synfonien schickte geschrieben hat? – c'est moi que lui (er sprach von dir) fais présent des Symphonies de Canabich. Imaginez que celui ci envoie chez moi un Exemplaire pour moi, un pour vous, et se fait payer tous les deux par le Baron Bagge pour mon Compte, et prend même six francs de plus et decampe. NB Du hattest ihm vorher Deine Pariser – Londoner, und Holländer sonaten gratis geben müssen, und er versprach Dir dafür seine Sinfonien zu geben; Nahm aber das geld und reisete davon. Und glaubst Du wohl, daß ein so elender Sinfonischmierer Dich im Ernste neben seiner in Diensten haben möchte? – Da Du noch oben drein jung und er schon alt ist? Ich glaubs nicht! Die Mannheimer [8] Compositionen haben mir, die Wahrheit zu gestehen, niemals gefahlen, dasorchester ist gut – stark – aber ihr gusto ist nicht der seine wahre rührende geschmack. etwas vom Krieg! Der Herzog von zweybrücken hat durch eine öffentliche im Druck erschienene schrift beym Reichstag wider den vergleich zwischen dem Haus östereich und Churf: von der Pfalz protestiert, hat das Röm: Reich um Beystand angerufen und ist selbst zum König in Preussen gereiset, welcher auch dann in einer öffentlichen schrift sich erkläret hat, daß er niemals zugeben werde, daß Churbayern vertheilt werde. Nun wird es beym Reichstag untersucht, wie weit die östereichischen ansprüche gegründet sind. unterdessen ziehen sich die oster: und Preussischen armeen schon zusammen, um sich gegen einander zu stellen. von uns gehen aus dem gebürg etliche 100 Pferd zur öst: arme die gekauft worden. heut sind wieder 40 Stück durchgeführt worden. Morgen und folgende täge kommen die Maulthier aus Italien hier durch über 2000 St: – schreibet mir, ob frankreich den Krieg den Engelländern wirkl: erkläret hat? – nun wirst Du den americaner Minister h: Dr: Francklin sehen. Frankreich erkennt die 13 amerikanischen Provinzen für ohnabhängig und hat mit ihnen tracktate geschlossen. Die Nannerl empfehlt sich der Mamma und ihrem Bruder ins Herz wir küssen euch beyde millionmahl und bin der alte

Mzt


Mein liebes weib hat also abermahl Paris zu sehen bekommen, und das auch das roth attlassne Kleid und das Waderl der Madme d'Epinay ist wieder nach Paris gekommen. o wären wir bey euch! Das A, B, C kommt nächstens

gestern wars versprechen mit dem Oberbereuter und Barisani antonia auf ostern die Hochzeit. DerCastrat12, der täglich zu uns kommt, empfehlt sich, er singt, die Nannerl accompagniert wie ein ieder Capellmeister.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 24. März.


2 Auflösung der Chiffren: schuldig bin, und nicht weis, wie ich es bezahlen werde


3 ich euch immer geld schicken muß.


4 schulden


5 erzbischoff


6 Der in Paris lebende Klavierspieler (s. den Brief des Vaters vom 9. Februar 1778)


7 Auflösung der Chiffren: schulden


8 erzbischoff?


9 Auflösung der Chiffren: schulden bezahlen können, sonst bleibt uns zu wenig geld


10 Canabich


11 Canabichs


12 Ceccarelli.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 9.
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