196. [an den Sohn]

[106] Salzburg den 1 octob: 1778


Ich bin mit Mr: grimm sehr übl zufrieden, daß er Deine Abreise von Paris so gar erstaunlich betrieben. Ich erhielt seinen Brief [106] vom 11ten den 29ten Sept: wo er eine Nachricht giebt, daß Du den 26 Sept: par les Caroßes de Strasbourg abreisen wirst, da ich Dir doch eine antwort geschrieben die den 3 octb: erst einlauffen wird. er sagt Du werdest 10 täge auf der Reise seyn und den 5 oder 6 october in Strasburg eintreffen; – da ich nun nicht wissen konnte, ob mein schreiben vom 17 Sept: welches vor dem Tag Deiner abreise, nämlich vor dem 26ten schwerlich, ja vielleicht, eben diesen nämmlichen tag erst einlauffen wird: in diesem aber die addreße an den h: Johann georg scherz in Strasb: beygeschlossen ist, wo du dich für den nötigen Beystand und für das bis augsp: nötige geld zu melden hast; so war ich sehr besorgt und muste gleich bedacht seyn mit der heutigen Post an Dich zu schreiben, damit Du versorgt wirst, und nicht mit unkösten sitzen bleiben und Dich ohne Noth verzehren must. zum glück schrieb mir M: grimm, daß er Dich an die Herrn gebrüder Frank alda addreßiert hätte. da nun auch diese Correspondenten vom hiesigen Sigmund Hafnerischen Hause sind, und dieses auch eines der ansehnlichsten Häuser in Strasburg ist, als konnte ich für Deine Sicherheit nichts bessers thun, als augenblicklich an diese h: gebrüder Frank schreiben und dein schreiben einschlüssen, damit Du Dich bey h: Johann georg scherz wegen dem Hafnerischen schon lange vorausgegangenen Recommendations und Credits-schreiben melden kannst. So glaube ich aller Unordnung vorgebogen zu haben. In dem Briefe den ich Dir den 24ten Sept: schrieb, und der, wenn Du den 26 abgereiset bist, Dich nicht mehr in Paris antrift, Dir aber vermuthlich wird nachgeschickt werden, und wegen welchem, wenn Du eher von Strasburg abreisen solltest, Du eine addreße zurück lassen must zum Exempl: Bey h: Franz Aloysi Mozart Buchbinder in augsp: abzugeben, oder auch im Kloster beym hl: kreuz, obwohl die erstere addreße an meinen Bruder eine sicherere scheint, und welche addreßen so wohl bey den h: gebrüder Frank als bey h: scherz muß gelassen werden: – – In diesem meinem letzten Briefe nun hab ich Dir unter andern geschrieben, daß Dein gedanke nach Manheimm zu reisen ohnehin wegfällt, weil die Mdßle Weber nicht nur wegen [107] der denNovemb: in München aufzuführenden opera Rosa mund, sondern darum schon längst in München seyn wird, oder schon itzt, da Du dieses liesest da ist, weil sie graf Seeau mit 600 f gehalt zum Deutschen Theater engagiert hat und also Dein Wunsch erfüllet ist und die weberische Familie mit den 400 fl des vatters 1000 fl jährlich hat. Es würde mir gar nicht lieb seyn, wenn Du mir den Verdruß machtest meine schulden durch eine närrische Reise zu vermehren, ja es würde der dummste Streich seyn; da Du nach einem aufenthalt in augsp: beym heil. Kreutz ohnehin so späth nach München kommst, das alles längst von Manheim dort angelangt ist. Dem vernehmen nach wird in Carnovale in München eine italiänischeopera und zwar Alceste (vermuthlich vom gluck) aufgeführt werden, ob es wahr ist, weis ich nicht, Becke hat mir noch nichts davon geschrieben. – Nun komme ich auf Deine Reise. Ich weis in der That nicht ob der Postwagen über Donauöschingen nach Augsp: gehet, oder über Stuttgard. Mr. grim schreibt, über Stuttgard und h: Bullinger sagt es auch, und zwar als gewiß. Da ich sehr zweifle, ob Du in Donauöschingen beym Fürst von Fürstenberg etwas gewinnen würdest, da seine oeconomie eingeschrenkt worden und er den Sequester hat, so könntest Du freilich über Rastat, baden Durlach oder Carlsruhe nach Stuttgard gehen. alle diese erst benannten Örter gehören itzt, so viel ich weis oder glaube, nur einem Herrn, da die Margrafen von Baden bis auf einen einzigen ausgestorben sind, der Lutherisch seyn wird und wo der gewisse schmidbauer1 glaub ich Capellmeister ist. an welchem dieser orte er aber residiert, ist mir unbekannt; sie sind aber alle von Strasburg nicht weit entfernt. von Stuttgard ist es nicht weit nach Dischingen, wo der Fürst Taxis seyn wird; welches, ob er da ist, oder nicht, am Stuttgarder Hofe bekannt seyn wird. Von Dischingen könntest Du nach Kaysersheim einem grossen und sehr ansehnlichen Prelatenkloster fahren, und von da zum Bischof von Eychstatt, welcher ein graf strasoldo ist, und welcher durch vorschueb unseres seel: Erzbischof Schrattenbach fürst in Eychstätt geworden ist, da der Erzbischof sich selbst zur Wahl [108] nach Eychstätt versiegt hatte, der Eychstätter Fürst aber nachgehends zu Salzb: war, da wir uns in Wienn befanden; und der Erzb: so böse war, daß wir nicht da waren: dann geht es von Eychstätt nach augspurg. Der umweg ist nicht groß, und wäre ich bey Dir, so sollten mir die Reise Spesen (wenigst) gut bezahlt seyn; ja ich wollte noch vielleicht überschuß an geld haben und die Reise sollte mich nichts kost: allein, ob Du zu etwas aufgelegt bist, – das weis ich nicht: – daß aber weis ich, daß man seine gedanken ganz bey dieser Sache, da mans unternimmt, alleine haben muß; daß man einen sichern Rosslöh ner von einem Orte zum andern haben, und auch einen guten freund aller Ort haben muß um daß fuhrlohn zu behandeln. – Daß man genau die Entfernung der örter wissen muß, um bey diesen Kurzen tägen nicht gefahr zu lauffen in die nacht hineinfahren zu müssen; – daß man sich wegen sicherheit der Strassen erkundigen muß, da itzt wegen der Preussischen desertion viele Missiggänger im Röm: Reich herumschwermen werden, die sich aufs Rauben und stehlen legen, da dem König in Preussen viele 1000 M schon durch gegangen sind, und daß man sich nicht länger an einem Ort aufhalte, als es höchst nothwendig ist, sonderheitlich, wenn die Sache vorbey ist, oder – wenn man sieht, daß nichts zu thun ist. Ich weis auch nicht, ob und was Du von Musikalien bey Dir hast. Es kommt vieles darauf an. wegen allem dem obigen werden Dir die gebrüder Frank, und h: Johann georg scherz nähere auskunft zu geben, und zu rathen wissen. Das Baden Durlachische ist einmahl gewiß nicht weit von Strasburg. Stuttgard, oder auch Ludwigsburg, wo etwa der Herzog von Würtemberg seyn wird ist nahe am badischen. Der Herzog ist ein bekannter erstaunlicher Liebhaber der Musik und hat eine grosse Musikschule von jungen Leuten errichtet,2 die selbst der Kayser in Augen schein genommen hat, und die verdient gesehen zu werden. Da sollst Du alles Menschenmögliche Anwenden mit Sr durchl: dem Herzog sprechen zu können. Die h: Frank sollst Du bitten Dich dahin zu recomandieren und auch h: scherz. von Stuttgard [109] ist es nicht weiter nach Dischingen zum Fürst Taxis als etwa 11 Meil, das wäre so weit als von Salzb: bis über Wasserburg hinaus. vom Studgarder Hof kannst Du, vielleicht vom Herzog selbst, an den Fürsten Taxis eine recommendation erhalten. Briefe muß man aller orts suchen. von Dischingen ist es eine Spazierfahrt nach Kaysersheim und Eychstätt, und von Eychstätt sind nur 12 Stund auf augspurg. aber nur immer um sichere Rosslehner gesorgt, oder mit einem Postwagen, wo mehr leute sind. Ist in Strasburg durch ein Concert nichts zu machen, oder sonst nicht geschwind etwas zu verdienen, so trachte weiter und verzehre geld und zeit nicht umsonst. h: scherz soll Dir so viel geld geben, als er glaubt, daß Du nothwendig hast, dann NB in augspurg wirst Du bey meinem Bruder schon geld finden, da ihm schreiben werde. Solltest du nach Rastatt kommen, so soll dort ein alter Musikus seyn, der eine Pension hat, und des Hautboisten, den wir aufgenommen h: Feiners vatter ist. Nun weis Dir nichts mehr zuschrei ben, als die gefahr, in welcher das Lodronische Hauß ist ihren majoratherrn den graf Sigmund (Sigerl) durch eine innerliche inflammation zu verlieren: heute hat man ihm die heil: Sacramenta gegeben. da man noch nicht weis ob es von seinem unordentlichen Erhitzungen und Lebensarth, oder von zwey Pferdstürzungen herkommt, so ist man zwischen furcht und Hofnung – aber immer in mehr furcht! ich hoffe von Strasburg berichtet zu werden, was Du für einen Weeg nimmst, um meine anstalten darnach zu machen, wünsche Dir eine glückliche Reise um die ich, die Nannerl und h: Bullinger gott bitten, und bin Dein Dich erwartender redlicher vatter Mozart

Ich und die Nannerl küssen Dich millionmahl.

Fußnoten

1 J.A. Schmittbaur.


2 Karl Eugen hatte ein Musikinstitut gegründet.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 110.
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