Erster Auftritt.

[35] Therese festlich gekleidet, Christine ernster und einfacher. Chor von Mädchen umgeben sie, zwei Sträuße mit fliegenden Bändern tragend. Introduktion, 16 Takte, dann 4 Takte 3/2 damit geht der Vorhang auf.

Chor der jungen Mädchen, wovon zwei je einen Rosmarinstrauß mit bunten Bändern geschmückt tragen und später überreichen. Christine ernst und einfach gekleidet, trägt um den Hals am Samtband ein goldenes Kreuz, in dessen Mitte eine weiße Perle. Therese, im Brautkleid, nimmt mit den Worten

»Dank, ihr Lieben« den ersten Strauß in Empfang.

Nr. 1. Chor der Mädchen.


CHOR.

Rosmarin mit bunten Bändern

Bringen wir der jungen Braut,

Die geschmückt in Festgewändern

Heut dem Liebsten wird getraut.[35]

Duft'ge Sträußlein Rosmarin,

Eins für sie, und eins für ihn,

Für Therese und Colas,

:|: Laridon :|: la!

Rosmarin mit bunten Bändern

Bringen wir der jungen Braut,

Die geschmückt in Festgewändern

Heut dem Liebsten wird getraut.

:|: Laridon :|: larida.

THERESE.

Dank, ihr Lieben, danke schön;

Euer Sträußlein soll mich schmücken,

Wenn wir zum Altare gehn!

CHRISTINE unruhig.

Colas nirgends zu erblicken!

CHOR neugierig fragend.

Colas, Colas nicht zu Haus?

Sagt, wem geben wir den Strauß?

THERESE.

Für den Bruder nimm, Christine,

Du die Hochzeitsgabe hin.


Sie gibt ihr den zweiten Strauß.


Doch warum die trübe Miene?

Lächle, liebe Träumerin!

CHOR.

:|: Nimm den Strauß, bald bringen wir

Rosmarin zur Hochzeit dir. :|:

Einen Strauß Christinen, ja,

Laridondon, larida!

CHRISTINE.

Mir? damit hat's gute Wege,

Ich? Ich denke nicht ans Frein.

Mit dem Bruder, den ich pflege,

Lebt' ich ja so gern zu zwein.

THERESE scherzhaft schmollend.

Ei, ich bin dir wohl im Wege,

Nun, das nenn' ich höflich sein.

CHRISTINE.

Ei, wie boshaft, so zu deuten,

Was ich doch so treu gemeint.

Teure Schwester! Mit euch beiden

Lebt Christine treu vereint.

Umarmung.

[36] Romanze.


Die Eltern starben frühe,

Und ließen mich und Colas hier allein;

Da galt's mit ernster Mühe

Des armen Jungen Vorsehung zu sein.

Ein Mütterchen von sechzehn Jahren,

Hegt' ich den Bruder ernst und treu,

Und wenn ein Leid ihm widerfahren,

Stand ich ihm wie die Mutter bei!

Man spottete im Dorf darüber

Und nannt' uns das verliebte Paar;

Ja, ja – ja, ja,

Kein Mann war meinem Herzen lieber,

Als mir mein teurer Bruder war.


Nicht wie die andern Mädchen

Blickt' ich nach andern jungen Männern aus;

Ich drehte still mein Rädchen,

Und Colas saß vergnügt bei mir zu Haus.

Da kam mein Bäschen, die Therese,

Er hat sich schnell in sie verschaut,

Ich aber ward darob nicht böse

Und gab sie gerne ihm zur Braut.

Drum spottet immerhin darüber

Und sprecht von andrer Liebe gar!

Nein, nein – nein, nein,

Kein Mann wird meinem Herzen lieber,

:|: Als mir mein teurer Bruder war. :|:

THERESE.

Ach, warte nur und glaube mir,

Der Rechte eben war nicht hier.

Kommt erst der Rechte dir ins Haus,

Dann bringt man dir den Hochzeitsstrauß,

CHOR.

Dann bringt man dir den Hochzeitsstrauß.

THERESE UND CHOR.

Kommt erst der Rechte dir ins Haus,

Dann bringt man dir den Hochzeitsstrauß.[37]

THERESE heiter.

Man soll's nicht verschwören,

Mein herziges Kind!

Die Männer betören

Uns Mädchen geschwind!

Man sträubt sich, man wehrt sich,

Doch plötzlich, ach, ach,

:|: Der Jüngling erklärt sich,

Das Mädchen ist schwach. :|:

So ging es, so geht es

Auch dir so wie mir.

:|: Gott Amor versteht es,

Er kommt auch zu dir! :|:

CHRISTINE.

Nein, nein, ich will nichts hören,

Es soll kein fremdes Bild

Das stille Glück zerstören,

Das mir die Seele füllt.

In diesen trauten Räumen,

Die ich geliebt seit je,

Will ich mich glücklich träumen,

Wenn ich euch glücklich seh'!

CHOR.

So ging es, so geht es

Auch dir so wie mir!

:|: Gott Amor versteht es,

Er kommt auch zu dir! :|:


Die Mädchen tanzen ab.


Quelle:
Ignaz Brüll: Das goldene Kreuz, nach dem Französischen von H.S. von Mosenthal, Leipzig [o. J.], S. 35-38.
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