Zweiter Auftritt.

[38] Therese. Christine.


CHRISTINE. Wo nur Colas bleibt; ich fange in der Tat an ängstlich zu werden.

THERESE. Aber Närrchen, was soll ihm denn geschehen sein? Auf dem Wege ins Dorf hinüber, bei hellem lichten Tage werden ihn keine Räuber anfallen.

CHRISTINE. Wer spricht von Räubern? Aber ärger als das! Suzon hat mir erzählt, als sie mit dem Brot heut früh aus[38] dem Dorfe kamen, daß an der Mairie ein großer Zettel angeschlagen sei, und daß Männer und Weiber in größter Aufregung davor ständen.

THERESE. Aha, deshalb ist unser neugieriger Colas so schnell hinübergelaufen. Nun, was wird's sein, eine neue Verordnung des Kaisers, die man proklamiert.

CHRISTINE. Und das sagst du so ruhig? Weißt du nicht, was die kaiserlichen Verordnungen seit zehn Jahren enthalten? Krieg und Rekrutenaushebung; man greift zu Familienvätern und Kindern, um die Lücken der Armee auszufüllen, wenn der Kaiser sie wieder in die afrikanischen Wüsten führt, und wenn sie mir unsern Colas in die Rekrutenjacke steckten –

THERESE. Was fällt dir ein? Ein einziger Sohn, ein Familienoberhaupt, ein Bräutigam –

CHRISTINE. O, das Martialgesetz kümmert sich nicht um Bräute und Familien. Wenn sie mir meinen Colas wegführten –

THERESE. Nun, ein bißchen von deinem Colas gehört auch mir. Und zumal heute am Hochzeitstag! Du machst mich ängstlich mit deiner kindischen Furcht.

CHRISTINE. Kindisch? Wir wollen sehen! ich gehe zur Mairie und muß Gewißheit haben.

THERESE. Ja, gehen wir hinunter zur Mairie – aber, das Gasthaus, wenn ein Gast käme – meinetwegen – ich muß wissen, was aus meinem Colas wird!

CHRISTINE. Gehen wir! Gehen wir!

Beide gehen ab nach rechts.


Quelle:
Ignaz Brüll: Das goldene Kreuz, nach dem Französischen von H.S. von Mosenthal, Leipzig [o. J.], S. 38-39.
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