Die spinn mit dem zipperlein

[112] In der abenteuerweis Hans Folz.


8. april 1549.


1.

Die spinn und auch der zipperlein

kamen zusamen in gemein,

iedes sein not dem andern saget.

der zipperlein der spinnen klaget,

wie er aus eines bauren haus

so schentlich wer gejaget aus;

Sprach: »am bauren tet ich mein prob;

er was mir aber vil zu grob.

ein gnorren het ich im aufschwellt,

da meint er, er het im den bellt;

schrot, kleien legt er über mich,

verschont mein gar nicht truziglich;

Er lud mist, ackert und auch sät,

fur gen holz, drasch, haut und auch mät;[112]

des nachts lag er wol in der streu,

oder im stadel in dem heu,

suff waßer, fraß nur milch und kraut,

erschwitzet ser, darob mir graut;

unlustig wars haus überal,

derhalb ich mich vom bauren stal.«


2.

Die spinn sprach: »so wil ich hinaus,

herbrig nemen ins bauren haus,

da ich aufspannen wil mein netz

für ein laden, daß ich auffretz

schnaken und mucken überal,

der ich da fint mit überschwal,

Da ich wol sicher hang fürwar,

das man mich in eim ganzen jar

mit keinem besem keret ab,

da ich ein sicher wonung hab.

aus eines burgers haus ich kum,

da man mir schier mein leben num:

Wan der hausknecht und die hausmeit

teten mir teglich vil zu leit,

zurißen mir als was ich spann,

kaum ich oft in ein loch entrann,

hielten das haus sauber und rein,

jagten aus mucken groß und klein,

daß ich schier hungers starb darin;

darum ich ausgezogen bin.«


3.

Zu der spinn sprach der zipperlein:

»so wil ich in die stat hinein

in dises reichen burgers haus,

von dem du bist gezogen aus,

der mich zu im lockt aller weis

mit starkem trank und guter speis,

Darmit er sich fült teglich vol,

mit müßiggen ist im auch wol,[113]

mit schlafen, baden und seim weib;

er ist leisbachen an dem leib;

ich weiß, wan ich anrüre in,

so schickt er nach eim doctor hin;

Mich auf ein seiden polster legt,

mit tüchern weiß er mich zudeckt

frißt gute bißlein iemer zu.

schau, bei im bleib ich wol in ru.«

aus der fabel zwei ding man lert:

reichtum den zipperlein ernert;

die armut in alzeit austreibt,

das er die leng nit bei mir bleibt.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 112-114.
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