23. Fischerlied

[281] Das Fischergewerbe

Giebt rüstigen Mut!

Wir haben zum Erbe

Die Güter der Flut.[281]

Wir graben nicht Schätze,

Wir pflügen kein Feld;

Wir ernten im Netze,

Wir angeln uns Geld.


Wir heben die Reusen

Den Schilfbach entlang,

Und ruhn bei den Schleusen,

Zu sondern den Fang.

Goldweiden beschatten

Das moosige Dach;

Wir schlummern auf Matten

Im kühlen Gemach.


Mit roten Korallen

Prangt Spiegel und Wand,

Den Estrich der Hallen

Deckt silberner Sand.

Das Gärtchen daneben

Grünt ländlich umzäunt

Von kreuzenden Stäben

Mit Baste vereint.


Im Antlitz der Buben

Lacht mutiger Sinn,

Sie meiden die Stuben

Bei Tagesbeginn;

Sie tauchen und schwimmen

Im eisigen See,

Und barfuß erklimmen

Sie Klippen voll Schnee.


Die Töchter ergötzen

Sich Abends bei Licht,

Wenn alles an Netzen

Und Maschenwerk flicht.

Oft wird mit Gelächter

Durchmustert das Dorf;

Die Mutter, als Wächter,

Schürt nickend den Torf.
[282]

Oft rudern wir ferne

Im wiegenden Kahn,

Dann blinken die Sterne

So freundlich uns an;

Der Mond aus den Höhen,

Der Mond aus dem Bach,

So schnell wir entflöhen,

Sie gleiten uns nach.


Wir trotzen dem Wetter,

Das finster uns droht,

Wenn schöpfende Bretter

Kaum hemmen den Tod.

Wir trotzen auch Wogen

Auf krachendem Schiff,

In Tiefen gezogen,

Geschleudert ans Riff!


Der Herr, der in Stürmen

Der Mitternacht blitzt,

Vermag uns zu schirmen

Und kennt, was uns nützt.

Gleich unter dem Flügel

Des Ewigen ruht

Der Rasengruft Hügel,

Das Grab in der Flut.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 41, Stuttgart [o.J.], S. 281-283.
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