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1728.
Du heiliger und reiner Geist,
Ein Geist, darnach nicht Noth zu fragen,
Indem er sich genug beweist,
Du Alter ausser allen Tagen!
Allgegenwart, Allwissenheit,
Sind Deiner Gottheit Eigenschaften,
Und Zeugen Deiner Ewigkeit,
Die unzertrennlich an Dir haften.
Du sitzest in der Ruh,
Und hörst den Blöden zu,
Die vor dem Thron der Gnade wimmern:
Hier liegt ein altes Kind,
Das erst sein Herze findt,
Und will sich um sein Heil bekümmern.
Ich zehle eilfmal sieben Jahr
In dieser unbeständgen Hütte.
Was meine größte Sorge war,
Der Zwek, wornach ich hellig schritte,
Den heisset man Gelehrsamkeit,
Das nennt man ein solides Wissen:[179]
Ich sorgete für Speis und Kleid,
Für mich, und die ich nehren müssen.
Itzt bin ich Gnaden-los,
Am Geiste blind und blos:
Mein Dienst wars Opus operatum.
Die Tauf ist längst vorbey,
Der Gnaden-Bund entzwey;
Mit Schrekken wart ich auf mein Fatum.
Der gute Same liegt erstikt,
Weil ihn die Dörner überwachsen;
Und eh ich weiter fortgerükt,
Zerbrechen meines Leibes Achsen.
Ich sehe mich in meinem Blut,
Ich weiß mich selber nicht zu waschen:
Darüber fällt mir Herz und Muth.
Der letzte Feind wird mich erhaschen!
Du aber, dem der Tod
Des Sünders eine Noth,
Und seine Rettung eine Freude,
Ach! schau mich armen Mann
Mit Gnaden-Augen an,
Und stütze mein zerlechzt Gebäude!
Ach Herr! Du majestätischer,
Du schreklicher und grosser König;
Du aber auch so freundlicher;
Dem eine Seele nicht zu wenig;
Laß mich durch Deinen lieben Sohn
Die ewige Erlösung finden:
In Ihm, dem wahren Gnaden-Thron,
Laß mich den Hoffnungs-Anker gründen.
Denn die in Jesu seyn,
Die macht der Vater rein,
Wenn sie im Licht, wie Er ist, wandeln.
Ach! schenke mir doch nur
Die neue Creatur,
Denn, womit wolt ich sie erhandeln?
[180]
Mein Jesu! wer zum Vater will,
Der muß durch Dich den Eingang finden:
In Dir ist alle Gottes-Füll;
Du machest selig von den Sünden.
Hier lieg ich armer matter Wurm,
Und winde mich um Deine Wiege:
Ich fühle Seelen-Noth und Sturm,
Doch merk ich auch noch Liebes-Züge:
Ich seh' durch einen Ritz
Den freyen Gnaden-Sitz,
Die Thür ist noch ein wenig offen.
Wenn Du mein Herz ergrifst,
Und diesen Fels zerschlifst,
So könt ich auf ein neu Herz hoffen.
Der Gnaden-Seiger schiebet wol
Den Augenblik am letzten Korne,
Und, da ich kaum noch Othem hol',
Such ich die Seligkeit von vorne.
Zur Stunde, da ein Kämpfer lacht,
Ein Simeon den Abschied fodert,
Da liegt mein Inneres verschmacht't,
Indem das Aeussere vermodert.
Ich zöge gerne noch
Ein Jahr an Christi Joch,
Ich komme langsam: Mag ich kommen?
Der Eingang zeiget sich,
Ein Blik versichert mich,
Komm: Immig, du wirst eingenommen.
1 Aus seinen eignen Worten.
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