68. Als es gleich jährig war, daß sein Herr Schwager und er geheirathet in Ebersdorf

[190] 1728.


Gottes Führung fordert Stille:

Wo der Fuß noch selber rauscht,

Wird des ewgen Vaters Wille,

Mit der eignen Wahl vertauscht.


Wer da leben will, der sterbe:

Wer nicht stirbt, der lebet nicht:

Ehe dann das Fleisch verderbe,

Scheinet uns kein wahres Licht.


Was die andren Menschen wollen,

Läßt der Schöpfer noch geschehn:

Aber, wenn die Kinder schmollen,

Läßt Er sie die Ruthe sehn.


Alle menschlichen Geschäfte

Gehen überhaupt nicht gut,

Wo man sie durch eigne Kräfte

Und nicht aus der Gnade thut.


Göttliche und innre Dinge

Lassen vollends gar nicht zu,

Daß man sie mit Sturm erzwinge,

Sondern weisen uns zur Ruh.


Zeitlich, ewig, geist- und leiblich,

Beut sich oftermals die Hand:

Aber, wie so unbeschreiblich

Schließt sichs an das Ehe-Band.


Darum ist es unumgänglich,

Jesus führ uns erst hinein;


[191] Paul Schindler.1


Itzo seh ich, was ich solte,

Itzo hab ich, was ich wolte,

Da ich kaum noch Othem holte,

Und vor Liebe brennete.


Rosina Pieschin.2


Bruder! bist du kommen?

Gehst du mir entgegen,

Mich dem Herrn zu Fuß zu legen?

Weißst du nicht die Arme lieblich auszuspannen?

Ja, du winkest mir von dannen.

Nun es sey, ich bin frey!

Mann und Kinder weiland,

Laßt mich itzt zum Heiland.


Nun du Saat der Ewigkeit geh in die gewünschte Fäule,

Christi Blut bedünget dich, sorge nicht für lange Weile.

Bey dem Herrn sind sechzehn Stunden gleich so kurz als tausend Jahr,

Eh es Welt und Zion glauben, ist die Saat zur Erndte klar.

Aber ihr in Herrenhut eingeschloßne Braut-Gemüther,

Die ihr euch noch schmükken laßt, gehet heim zu euerm Hüter.
[192]

Sondern mit zur Hochzeit gehen,

Wo Du zu bewirthen pflegst.


Für das Gute, Gnaden-König,

Lobt man Dich, so gut man kan:

Ist der Menschen Lob zu wenig,

Nim das Lob der Geister an.

Fußnoten

1 Ein sieben und sechzigjähriger Mann, der seinen Heiland innig geliebet, und mit einer seligen Empfindung Seiner Liebe verschieden ist.


2 Eine Frau von vier und zwanzig Jahren, die eine Zierde der Gemeine gewesen, deren Bruder in den Banden das Evangelium mit seinem Tode versiegelt hat. Sie vermeynte in ihrer letzten Krankheit, ihr Bruder wartete auf sie, und freuete sich, ihn zu empfahen.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 190-193.
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