[399] Vier und vierzigstes Schreiben.

Nachricht von den Privatpallästen und etlichen andern Merkwürdigkeiten der Stadt Florenz.

Florenz wird insgemein la Bella oder die Schöne genennet, welches vielleicht von der Reinlichkeit der Straßen und ihrem guten Pflaster, meistentheils aus breiten Quadersteinen, pietre forti genannt, besteht, herkömmt. Rand rechts: Schönheit der Stadt. Denn die Palläste sind weder so häufig noch von solchem Prachte, daß sie desfalls heut zu Tage den Städten Turin, Genua und Rom den Rang könnten streitig machen. Die Straßen sind gleichfalls meistentheils krumm und enge, auch dieses letztere insbesondere an dem Corso, dessen Länge übrigens von zwo italienischen Meilen ausgegeben wird, auszusetzen, weil in vielen von den Straßen, die dazu gerechnet werden, kein Wagen Raum zu fahren hat.

Nach den herzoglichen Gebäuden ist der beste Pallast derjenige, welchen anitzt der Marchese Riccardi besitzt, und man auch Palazzo de' Medici nennet, weil er ehemals der herzoglichen Familie gehöret hat. Rand rechts: Pallast des March. Riccardi. Cosmus der alte, so zwar nicht Herzog war, mit einem viel herrlichern Titel aber prangete, indem ihn seine Mitbürger Patrem Patriæ nach seinem Tode nenneten, ließ dieses Gebäude nach dem Dessein des Michelozzo aufführen. Rand rechts: Andenken der alten Herzoge. Es stößt solches mit der einen Seite an eine sehr breite Gasse, längst welcher ein Gang in das ehemalige Haus des Laurentii Medicis geht, dessen sich Alexander Mediceus, der erste Herzog von Florenz bediente, um sich desto geheimer in allen Wollüsten, wozu ihm sein verrätherischer Vetter Laurentius Gelegenheit und Vorschub genug an die Hand gab, herum zu wälzen, bis er endlich im Jahre 1537 darüber sein Leben in einer an diesem Gange stoßenden Kammer einbüßen mußte. Rand rechts: Hinrichtung Alex. Medicei. Die übrige Historie des riccardischen Pallastes begreift folgende zwar weitläuftige[399] aber wohlgesetzte Inscription, welche man im ersten Hofe in weissem Marmor gehauen liest:


Hospes


Ædes cernis fama celeberrimas, pulcherrimas atque magnificas aCOSMO MEDICEPatre Patriæ Michelotio Architecto erectas A. S. P. MCCCCXXX. in quibus magnus ille senex successoresque sui in R. P. Florentina Principes & Alexander Dux R. P. Flor. Petrus Medices Cosmi I. tertius filius habitarunt. Hic a Senatu Florentino Cosinus Medices Dux Flor. planis liberisque suffragiis creatus ad quinque annos sedem suam ac regiam habuit, captivos montis Murli Victoriæ testes vidit, nuptias celebravit, Regiam stirpem feliciter hodie regnantem fundavit, variis temporibus Romani Pontifices, Romani Imperatores, Reges, Reginæ, aliique Principes innumerique Proceres hospitio excepti. Leo IX. P. M. in itu Bononiam redituque, Carolus V. Imp. cui Oratores Tunetani Regis hic solenne tributum solverunt, Carolus VIII. Galliarum Rex, Charlotta Cypri Regina & Sarmatlæ Regina, Thomæ Regis filia, Fridericus Princeps Salerni, Fernandi Regis Neapolitani & Maria Hippolytus Dux Calabriæ, Galeatius Maria Sfortia Mediolani Dux. Hic literæ Latinæ Græcæque restauratæ, multæ artes excultæ, Platonica Philosophia restituta, Academia Florentina a Cosmo I. vernaculæ Etruscæ linguæ cultui sacrata. Semper hic parietes columnæque eruditis vocibus resonuerunt. Ædes hasce tantæ gloriæ vix capaces, Gabriel Chianni & Rivalti Marchio, Senatoris Francisci Riccardi F. a Ferd. II. M. E. D. A. MDCLVIIII. comparatas in postica auxit parte. Franciscus Marchio Cosmi Marchionis e Gabrielis supradicti ex fratre Nep. & hæres vetustam ædium magnificentiam æmulatus, illas sacello sacris reliquiis referto, Bibliotheca, musæo, signis sculptis celatisque gemmis, veteribus nummis, anaglyptis, picturis, instructas intus forisque duplo ampliavit A. MDCXC. veterem partem in meliorem formam redegit, ornavit, ornat. A. MDCCXI.


Hospes


Medicæas olim ædes, in quibus non solum tot Principes viri, sed & Sapientia ipsa habita. vit, ædes omnis eruditionis, quæ hic revixit, nutrices, nunc etiam erudito luxu insignes, antiquitatis & elegantiarum thesaurum


Gratus venerare.


Der Verfasser dieser Inscription ist der Abt Antonio Maria Salvini.

Der itztlebende Marchese Riccardi hat jährlich bey funfzig tausend Scudi Einkünfte, und sparet nichts, um dieses sein Haus mit merkwürdigen und kostbaren Zierrathen zu versehen. Rand links: Merkwürdigkeiten des Pallastes. Das untere Stockwerk ist mit Alterthümern von Statuen, Inscriptionen und dergleichen Dingen angefüllet, worunter eine sehr große Schale oder einbassin aus einem Stücke von rothem und weißem Marmor befindlich ist. Die prächtige Treppe des Pallastes hat Giov. Battista Foggini, ein hiesiger berühmter Bildhauer und Baumeister angegeben. In dem andern Stockwerke hat Luca Giordano, ein Neapolitaner, eine treffliche Galerie mit seiner Malerey gezieret, und findet man daselbst kostbare Sammlungen von gemmis, krystallene Kronenleuchter, große Spiegel und überhaupt viele prächtige Meublen. Die daran stoßende Bibliothek hat rings herumin der Höhe eine Galerie, und fällt sehr wohl ins Auge. Sieben andere Zimmer werden bey außerordentlicher Gelegenheit mit Tapeten von rothem Sammte mit goldenen Treffen behängt, und liegen solche Tapeten stets bereit.[400] Des vielen Silberzeuges, der kostbaren Uhren, Bureaux, Gemälde, Statuen, und dergleichen Dinge zu geschweigen.

Nächst diesem ist der Pallast des Marquis Corsini nicht weit vom Ponte di S. Trinità wegen seiner schönen Baukunst merkwürdig. Rand rechts: Pallast Cofini; Ein darinnen befindlicher Saal ist vierzig braccia lang, fünf und zwanzig breit und mit trefflicher marmorner Bildhauerarbeit sowohl alter als neuerer Stücke gezieret. Den Plafond davon hat Antonio Domenico Gabbiani gemalt. Die Treppe des Pallastes ist gleichfalls prächtig und von Ant. Ferri angegeben.

In dem wohlangelegten Gebäude des Duca di Salviati zeiget man folgendes Denkmaal: Rand rechts: Salviati;


Has inter maternas ædes

Puer reptavit Cosmus

Nunc stabili fulcit pede

In Diadematis Majestate.

Cosino magno Etrurlæ Duci Principi Opt. Maximo

Ferdinandi regnantis felicissimo Proavo

Jacobus Salviatus Dux Juliani

An. D. MDCXXXI.


Die Familie der Strozzi ist sehr weitläuftig, und führen die Häupter der unterschiedenen Linien derselben fast alle die Ehren Titel und Würden, mit welchen der hohe Adel zu prangen pfleget. Rand rechts: Strozzi; Sie besitzet verschiedene gute Palläste in der Stadt, worunter derjenige, so nahe bey des Duca Salviati Wohnung ist, für den besten gehalten wird.

An dem Pallaste der Uguccioni, welcher am großen Markte beym Palazzo Vecchio liegt, ist die Facciata gut und von Mich. Angelo Buonarota angegeben. Rand rechts: Uguccioni. In einem der Zimmer sieht man den Durchgang der Kinder Israel durch das rothe Meer, welchen Perino del Vaga gemalet hat, wie auch ein marmornes Brustbild des Großherzogs Francisci.

Mit Besehung mehrer anderer Privathäuser hat ein Reisender, der weiter in Italien zu gehen gedenket, nicht nöthig sich aufzuhalten. Was der Stadt ein schlechtes Ansehen giebt, sind die papiernen Fenster, welche man noch allenthalben häufig findet; hingegen hat sie in Ansehung der öffentlichen Statuen und Denkmaale vor vielen andern Orten etwas zum voraus. Rand rechts: Papierne Fenster. Ich habe schon Gelegenheit gehabt von einem und dem andern solcher Monumente Meldung zu thun; es sind solchen aber noch verschiedene beyzufügen. Rand rechts: Statue der Gerechtigkeit. Vor allen verdienet die auf dem Platze vor der Dreyfaltigkeitkirche aufgerichtete große und hohe Seule von dorischer Ordnung bemerket zu werden. Solche ist von grauer Farbe und besteht aus einem einzigen Stücke Granites. Oben auf derselben zeiget sich eine porphyrne Statue der Gerechtigkeit mit ihrer Wage und einem königlichen Mantel aus Bronzo. Cosmus der erste ließ sie 1564 aufrichten, weil er auf diesem Platze (wie einige vorgeben) die Nachricht von der Uebergabe der Stadt Siena erhalten. Der Künstler, welcher die Statue der Gerechtigkeit verfertiget hat, ist Romolo del Dadda: von der Seule aber erzählet man, sie sey zu Rom in den Thermis Antonini entdecket und vom Pabste Pius dem vierten dem obgedachten Großherzoge verehret worden. Rand rechts: Critik darüber. An dem Werke selbst ist nicht das geringste auszusetzen, es vermeynen aber viele, die Gerechtigkeit schicke sich nirgend besser hin als in die Tribunalia und Gerichte. Andere finden nicht gut, daß man sie allhier so hoch und entfernet von allem Zugange der Sterblichen aufgestellet habe. Noch andere tadeln auf eine satirische Art, daß die Statue ihre eine Hand ausgestrecket, gleichsam um etwas zu nehmen, oder die Wagschale auf die Seite desjenigen, der am meisten hinein leget, neigend[401] zu machen. Endlich finden auch einige fremd, daß die Gerechtigkeit dem Pallaste degli Uffizii, in welchem Recht und Gerechtigkeit verwaltet werden soll, den Rücken zukehret.

Al canto de'Carnesecchi ist mitten in der Straße Herkules, wie er den Centaurum Nessum umbringet, aus einem einzigen Stücke von weißem Marmor zu sehen. Rand rechts: Statua Herculis; Dieses Gruppo macht seinem Meister dem Giovanni Bologna viel Ehre.

Auf dem Mercato vecchio oder dem alten Markte, woselbst Kräuter, Früchte und andere Eßwaaren verkaufet werden, steht die von Donatello verfertigte Göttinn des Ueberflusses über einer Seule von Granit. Rand rechts: Abundantiæ.

Il Mercato nuovo ist eigentlich die Börse der Stadt Florenz, woselbst sich gegen die Mittagszeit die vornehmsten Kaufleute, deren viele aus guten Geschlechten sind, versammeln. Rand rechts: Börse. Rand rechts: Kaufmannschaft des Adels. Denn in Genua und Florenz wird die Kaufmannschaft für keine Sache, die dem Adel verkleinerlich oder nachtheilig seyn könnte, gehalten; und dadurch erhalten sich viele Familien in gutem Flor und Aufnehmen, an statt daß anderwärts und absonderlich in Deutschland, manchesmal Familien zu Grunde gehen, oder auf ganze Jahrhunderte wegen ihrer Armuth und Mangel der Mittel sich hervor zu thun, sowohl von Stiftern und Canonicaten (deren ohnedem unter den Protestanten nicht gar viele sind), als von vornehmen Civilbedienungen ausgeschlossen bleiben, weil sie gar zu genau auf ihren alten Adel gesehen, und sonderlich im Heirathen mehr nach den Ahnen als nach großem Gelde gefraget haben. Die venetianischen Nobili treiben auch Handlung, jedoch nicht ganz öffentlich. Hingegen machen die florentinischen Edelleute sich gar nichts daraus, ja sie handeln nicht nur en gros, sondern auch en detail, und halten sichs für keine Schande, in dem Kaufladen zu stehen, oder ihre Waaren ellenweise auszumessen. Ueberhaupt hält man die Florentiner für die besten Haushälter, gleichwie hingegen die Mayländer für die verschwenderischsten und als Leute, die nur auf Pracht der Kleider, gutes Essen und Trinken, Meublen der Häuser und auf andern Staat bedacht sind, angesehen werden. Die großherzogliche florentinische Familie selbst ist einzig und allein durch die Handlung zu der Größe, bey der sie sich nun über zwey hundert Jahre erhalten hat, gestiegen. Cosmus Mediceus, der im Jahre 1465 starb, hatte mehr als zwanzig Comptoirs oder Kaufhäuser in den vornehmsten Handelsstädten der Welt, und dabey das Glück, daß ihm in vier und funfzig Jahren kein empfindlicher Schaden durch anderer Kaufleute Banqueroute zugewachsen war.

An obgedachter Börse liest man die Worte:


Cosmus Medices Florent. Dux II.

Publicæ magnificentlæ & salubritatis ergo porticum

Transverso columnarum ordine undique permeabilem

Adversus omnem cœli contumeliam

Negotiantibus in foro civibus suis exstruxit

MDXLVIII.


Man findet daselbst auch ein wildes Schwein ausbronzo, welches Pietro Tacca, nach dem Modelle des alten marmornen Stückes, so in der großherzoglichen Galerie zu sehen ist, gegossen hat. Rand rechts: Wildes Schwein aus bronzo. Diese metallene Copia wirft aus seinem Rüssel Wasser von sich.

Man zählet zu Florenz in allem siebenzehn Plätze oder Märkte, sieben Springbrunnen, sechs Seulen, zwo Pyramiden und bey hundert und sechszig öffentliche Statuen. Rand rechts: Anzahl der öffentlichen Statuen. Judenquartier.

Den Juden ist vom Cosmo demersten ein eigenes Quartier oder Ghetto, an einem Orte, woselbst vorher viele lüderliche und schändliche Häuser waren, angewiesen worden. Die über dem Eingange dieser Straße befindliche Schrift meldet, daß man für rathsamer erachtet,[402] die Juden zwar abgesondert, jedoch in der Nachbarschaft der Christen zu lassen, damit sie durch gutes Exempel zum sanften Joche Christi möchten angelocket werden, als daß man sie gänzlich hätte verjagen sollen.

Diese Absichten und Bewegungsgründe sind so gerecht und löblich, daß sie billig auch anderwärts allen Irrenden zu statten kommen sollten, allein wo bleiben die guten Exempel der herrschenden Kirchen oder Secten?

Der Fluß Arno scheidet die Stadt Florenzin zween ungleiche Theile, welche vermittelst vier steinerner Brücken Gemeinschaft mit einander haben. Rand rechts: Brücken über den Arno. Die erste von denselben (wenn man von unten auf und gegen den Lauf des Stroms rechnet) ist il Ponte alla Carraia, die andereil Ponte di S. Trinità, die dritte il Ponte Vecchio, und die letzte il Ponte alle Grazie. Die von S. Trinità ist die schönste und nur hundert Schritte von der obbeschriebenen Statue der Gerechtigkeit entfernet. Bartolomeo Ammannati, ein berühmter florentinischer Bildhauer und Baumeister hat diese Brücke aufgeführt, nachdem diejenige, so vormals daselbst war, im Jahre 1557 durch eine große Ueberschwemmung gänzlich war hinweggerissen worden. Man findet anitzo auf derselben vier schöne Statuen aus weißem Marmor, welche die vier Jahreszeiten vorstellen. Der Frühling ist von Francavilla Fiammingo, der Sommer, wie auch der Herbst von Giovanni Caccini, und der Winter von Taddeo Landini. Uebrigens hat man allhier auch eine sehr angenehme Aussicht.

Vor dem Ponte Vecchio ist die marmorne Statue des in den Armen einer andern Person an seinen Wunden sterbenden Ajax. Rand rechts: Statua Ajacis. Das gemeine Volk nennet sie zwar eine Statuam Alexandri M. allein dieser König ist nicht durch das Schwert oder an einer Wunde umgekommen.

Ueber der Porta Romana ist zum Andenken der Einzüge, welche der Pabst Leo der zehnte, und der Kaiser Karl der fünfte durch dieselbe gehalten, eine Inscription zu lesen. Rand rechts: Porta Romana. Ein wenig vorher, ehe man aus der Stadt an dieses Thor kömmt, wird außen an einem Hause ein schönes FrescoGemälde, welches Giovanni di S. Giovanni verfertiget hat, bemerket.

Die Citadella di S. Giovanni Battista ist ein Werk von fünf Bastionen, welches der erste Herzog Alexander, um die Stadt besser im Zaume zu halten, auf der Höhe angeleget hat. Rand rechts: Citadelle. Aus gleicher Absicht sind noch zwey Forts von Cosmo dem ersten und Ferdinanden gebauet worden, welche man aber wieder sehr verfallen lassen.

Man rechnet in Florenz ungefähr neun tausend Häuser und siebenzig tausend Seelen. Der größte Handel der Stadt besteht in wollenen und seidenen Waaren. Rand rechts: Größe der Stadt. Man will bemerket haben, daß wenig Leute in Florenz ein gutes Gesicht haben, und man sie daher im gemeinen Scherze Fiorentini ciechi nenne. Rand rechts: Einwohner haben kein gutes Gesicht; Die Ursache dieses Uebels suchen einige in der feuchten und nebelichen Luft der Stadt; allein auf solche Art müßten die meisten Einwohner von Mantua, Venedig, Leyden, Amsterdam etc. blind seyn. Zu geschweigen, daß zwar die Seeküste, keinesweges aber die Stadt Florenz, vielen feuchten Ausdünstungen unterworfen ist, und dieser letzte Ort in einer erhöheten und trockenen Gegend liegt. Vielmehr schreiben die Florentiner ihrer reinen, leichten und gefunden Luft zu, daß ihre Landeskinder von einem aufgeweckten und feurigen Geiste sind, welche es in allen Wissenschaften sehr hoch gebracht haben. Rand rechts: einen aufgeweckten Geist. Dantes Aligheri, Franc. Petrarcha, Boccacius, Villanus, Scipio Ammiratus, Accursius, Marsilius Ficinus, Americus Vesputius, Galiläus, Torricelli, Palmerius, Angelus Politianus, Joh. de la Casa, Mich. Angelo Buonaroti, Magliabecchi etc. sind lauter Leute, mit welchen sich die Florentiner groß zu machen wissen. Seit vielen Jahren[403] ist zum Aufnehmen der toscanischen Sprache eine berühmte Gesellschaft von Gelehrten, so sichAcademia della Crusca oder von der Kleye1 nennet, aufgerichtet, und führet solche vermuthlich den itztgedachten außerordentlichen Namen, weil sie alles italienische, was nicht gut toscanisch ist, als Kleye auszuwerfen suchet. Rand links: Academia della Crusca. Indessen bemerket man, daß die Florentiner den Ton ihrer Worte einigermaßen in dem Halse formiren und solchemnach die italienische Sprache besser schreiben als sprechen. Rand links: Florentiner sprechen viel. Man lobet sie überhaupt wegen ihrer fertigen und scharfsinnigen Antworten, wie auch daß sie ihren Erzählungen eine angenehme Art zu geben wissen. Wie es scheint, so sind sie davon selbst mehr, als es nöthig ist, überzeuget, weil sie gern erzählen, und nicht viele Gelegenheiten zu sprechen vorbey lassen. Es wäre zu wünschen, daß dieses der einzige Fehler wäre, welchen man ihnen vorrücken könnte; Rand links: Ihre Laster. allein sie sind selbst bey den übrigen Italienern wegen der Lustseuche, so die offenbaren Gerichte Gottes über Sodoma und Gomorra gebracht hat, in so üblem Rufe, daß sogar Sprüchworte darauf gemacht worden. Rand links: Von der Sodomiterey. Es giebt ohne Zweifel vernünftige und tugendhafte Florentiner genug, welche dergleichen Laster mit einem Abscheue verfluchen, und diese haben sich solcher Beschuldigung nicht anzunehmen; was aber von andern ihrer Landsleute in dieser Art Sünden (die in einem großen Theile von Europa einigermaßen noch wenig bekannt sind) häufig ausgeübet werde, erfahren die Beichtväter am besten, obgleich die Menge der Uebertreter machet, daß man dergleichen Thaten für etwas geringes ansieht2. Ist es aber bey solchen Umständen zu verwundern, daß eine so geile Nation, wie die Florentiner sind, mit blöden Augen gestrafet sey? Daß die vielfältige Ausübung gewisser Werkeder Wollust einem scharfen Gesichte höchst nachtheilig sey, ist außer Zweifel, und noch vielen bekannt, wie vor etlichen und zwanzig Jahren eine geile Weibesperson zu Halle in Sachsen, die jedem zu Gefallen lebte, in ipso æstu & actu Venereo stockblind worden.

Von den gelehrten Männern, so itziger Zeit in Florenz leben, geben die gelehrten Zeitungen und andere Auszüge der schönen Werke, so von den Italienern herausgegeben werden, hinlängliche Nachrichten. Ein Reisender hat nächst solchen nicht außer Acht zu lassen, daß er den berühmten Bildhauer Foggini besuche, bey welchem er nicht nur schöne Copien von verschiedenen alten Stücken, sondern auch treffliche Werke von des Foggini eigener Erfindung und Hand antreffen wird, wobey das angenehmste ist, daß Liebhaber der Bildhauerarbeit viele auserlesene Stücke zu Kauf haben können. Rand links: Bildhauer Foggini.

Die Gegend um Florenz ist sehr angenehm wegen der abwechselnden kleinen Hügel, welche alle wohl bebauet sind. Rand links: Gegend um Florenz. Florentinischer Marmor. Gegen Pisa hin breitet sich das Land in eine weite Ebene aus. In der Nachbarschaft der Stadt Florenz findet sich eine Art von weißem Marmor, welcher sich fast wie Schiefer voneinander spalten läßt, und nach vorhergegangener Polirung Bäume, Gegenden und Ueberreste alter Mauern oder Schlösser überaus artig mit gelben und braunen Farben vorstellet. Fast alle diese Bilder haben ihren Ursprung einer corrosiven oder beißenden Feuchtigkeit zu danken, so in die subtile Fugen des Steines eingedrungen und mit der Zeit solche Figuren hinterlassen hat, an welchen man durch Hülfe der Einbildungskraft eine Aehnlichkeit mit andern Werken der Natur oder der Kunst findet. Dergleichen Marmora Florentina haben dieses besonders, daß ihre Bilder nicht auf der bloßen Fläche des gespaltenen Steines haften, sondern denselben öfters über eines Messers Rücken[404] dick durchdrungen haben, daher es denn kömmt, daß sie nicht so leicht im Feuer vergehen als mit den Dendriten von Pappenheim und vielen andern Orten zu geschehen pfleget.

Was die wahrhaften Petrefacta betrifft, so finden sich in der florentinischen Gegend Turbinitæ longissimi fasciati, Dentales minores striati, Cochleitæ und etliche andere hiezu gehörige Arten. Rand rechts: Petrefacta. Unter des Großherzogs merkwürdigen Naturalien, welche noch nicht in Ordnung gebracht sind, und daher auch nicht leicht gezeiget werden, ist ein Chalcedonier von der Größe einer kleinen wälschen Nuß, welcher in Paris gekaufet worden, und einen Echinum Spatagum deutlich ausdrücket3.

Wenn man die bisher angeführten Merkwürdigkeiten der Stadt Florenz nach der Nachbarschaft ihrer Lage (wie es gemeiniglich das bequemste ist) besehen will, so könnten die meisten davon in beykommender Ordnung aufeinander folgen: Rand rechts: Ordnung in Besichtigung der Merkwürdigkeiten.


  • 1) S. Maria del Fiore oder der Dom.

  • 2) il Campanile.

  • 3) il Battisterio di S. Giov. Battista.

  • 4) il Palazzo del March. di Riccardi.

  • 5) S. Marco.

  • 6) l'Oratorio dello Scalzo.

  • 7) le Stalle de' Cavalli di maneggio etc.

  • 8) il Giardino de'Semplici.

  • 9) il Seraglio de'Lioni.

  • 10) la Statua di Ferd. I. alla Piazza dell' Annunziata.

  • 11) Lo Spedale degli Innocenti.

  • 12) la Chiesa dell Annunziata.

  • 13) S. Maria Maddalena de'Pazzi.

  • 14) S. Ambrosio.

  • 15) S. Croce.

  • 16) L' Oratorio di S. Filippo Neri.

  • 17) La Badia Fiorentina.

  • 18) il Palazzo del Duca di Salviati.

  • 19) S. Pietro Maggiore.

  • 20) S. Maria nuova col suo Spedale.

  • 21) S. Lorenzo.

  • 22) La Basa di S. Lorenzo.

  • 23) S. Maria Novella.

  • 24) La Chiesa d' Ogni Santi.

  • 25) il Palazzo Corsini.

  • 26) il Palazzo de Strozzi.

  • 27) la Colonna di Granito alla Piazza di S. Trinità.

  • 28) il Ponte della Trinità.

  • 29) la Fabrica degli Uffizii.

  • 30) la Galleria Ducale.

  • 31) la Fonderia.

  • 32) il Corridore coperto.

  • 33) il Palazzo vecchio.

  • 34) La Loggia.

  • 35) La Fontana.

  • 36) La Statua di Cosmo I.

  • 37) il Palazzo Uguccioni.

  • 38) la Chiesa d'Orsammichele.

  • 39) il Mercato vecchio.

  • 40) il Ghetto.

  • 41) S. Michele Berteldi.

  • 42) il Gruppo del Centauro.

  • 43) S. Maria Maggiore.

  • 44) il Mercato nuovo.

  • 45) il Ponte vecchio.

  • 46) il Ponte alle grazie.

  • 47) S. Felicità.

  • 48) Spirito S.

  • 49) Palazzo de' Pitti.

  • 50) il Giardino di Boboli.

  • 51) La Citadella di S. Giov Batt.

  • 52) S. Felice in Piazza.

  • 53) S. Spirito.

  • 54) il Carmine.

  • 55) Li Monaci Cisterciensi.

  • 56) il Ponte alla Carraia.

  • 57) La Porta Romana.

  • 58) la Villa Imperiale.


Fußnoten

1 Academia Furfuratorum. Rand links: Schändliche Aufführung gewisser italienischen Truppen.


2 Wie weit dte Bosheit einer Nation gehen könne, erhellet aus der Aufführung der italienischen Kriegsvölker, welche im Jahre 1562 den Römischkatholischen wider die Hugenotten, so in Lion belagert waren, zu Hülfe kamen. Von ihnen schreibt der glaubwürdige und unparteyische Geschichtschreiber THVANVSlib. XXXI, p. m. 634, mit folgenden Worten: remanserant – – sex Italorum signa, quæ prædandi licentia an detestanda libidine plus nocuerint ambiguum reliquere, stupratis passim pueris ac ne capris quidem parcentes, quas ob id tota fere regione rusticistatim post eorum discessum, utinam & cum eis crimen, passim abolevere. Was man den Portugiesen wegen ihrer Ziegen aufbürdet, ist bekannt.


3 Conf.BOCCONEobserv. Phys. XXXI.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 405.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Apuleius

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.

196 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon