21.

[41] Napoli 19 Maggio 1770


Mein letztes aus Rom unter dem 2ten May wirst du richtig erhalten haben. Mir ist leid, daß ich Dich so lange ohne Briefe lassen musste, und ihr werdet in nicht geringen Sorgen unterdessen gewesen seyn. wir sind den 8ten May in gesellschaft dreyer anderer Sedien, oder 2 sitzigen wägen um 10 uhr vormittag von Rom abgereist, haben zu Marino im augustiner Closter ein kleines Mittagsmahl [41] um 1 uhr genommen, und sind den 11ten nachts zu Seßa abermahl in einem augustiner Closter über nacht wohl Bewirthet worden, und am 12ten Mittags in Capua bey den PP: augustinern angelangt, in der Meinung abends in Neapel zu seyn. allein es fügte sich, daß den Sontag darauf nämlich den 13ten die Einkleidung einer Dame in demjenigen kloster vor sich gehen sollte, wo einer meiner Reisegeferten, P: Segarelli vor einigen Jahren beichtvatter war. Er sollte also dieser Einkleidung beywohnen, und er bath uns auch alda zu verbleiben; wir sahen also die Einkleidung die sehr prächtig war, und wozu ein Capellmeister samt 3 bis 4 Wagen virtuosen den 12ten abends noch anlangten, und gleich durch Sinfonien und einem Salve Regina dieser Feyerlichkeit den Anfang machten. alle diese Virtuosen wohnten in dem näm. augustiner kloster. Du kannst dir also leicht einbilden, daß wir denselben abend späth schlafen gegangen. Die Einkleidung war aber am Sontage darauf erst um 12 uhr Mittags, oder viellmehr das Amt, dann die ganze Sache endigte sich gegen 3 uhr. Ausser den Cavalliers und Damen, so die nächsten freunde waren, war niemand zu der Tafel in dem Frauen Closter eingeladen als wir 2. alles zu beschreiben wäre nicht möglich. am Montage schliefen wir bis 10 uhr, und nach dem Mittagessen fuhren wir nach Neapel, wo wir abends bey zeiten anlangten. wir wohnten 2 nächte in einem Hause so dem Closter der augustiner à S: Giovanni Carbonaro zugehörte. Nun sind wir in einer Wohnung, wo wir monat: 4 Duggatten unseres gelds oder 10 duccati d'argento bezahlen müssen. wir sind gestern nach Portici gefahren um dem Minister Tannucci aufzuwarten. Morgen werden wir wiederum hinausfahren. wir hatten gestern abscheulichen wege, und sehr frische Luft. wir haben unsere schönen düchenen Kleider in Rom gelassen, und haben unsere 2 schöne gallonierte Sommerkleider anlegen müssen. Des Wolfg: seines ist Rosenfarber Moar, doch von so besonder farb, daß es in Italien Colore di fuoco oder feuerfarb genännt wird: mit silbernen spitzen, und leicht himmelblau gefüttert. Mein kleid ist eine Art von zimmetfarb, wie piquierter florentinerzeug, mit silbernen spitzen und Apfelgrün gefüttert. Es sind 2 schöne kleider, [42] die aber, bis wir nach Hause kommen, wie die alten Jungfern aussehen werden. gestern abends besuchten wir den Englischen gesandten Hamilton (unsern bekannten aus London), dessen frau1 ungemein rührend das Clavier spielt, und eine sehr angenehme Person ist. Sie zitterte, da sie vor dem Wolfg: spielen sollte. sie hat einen kostbaren flügl aus Engelland vom Tschudi mit 2 manual und die Register mit einem Pedall um solche mit dem fuß abzuziehen. wir fanden Mr: Beckfort und M. Weis bekannte aus Engelland alda. Den 16ten haben wir bey h: B. Tschudi (der zu Salzb: war) gespeiset. Er hat mir an S: Ex: gr: Spauer2 und alle gute freunde seine Empf: und sonderh: dir und der Nannerl alles erdenkl: zu schreiben aufgetragen. Er hat unzählige mahle, sonderheit: bey unserem Eintritte und fortgehen geküsset, und uns in allen gelegenheiten seine Dienste angetragen. Vorgestern begegneten wir auf der strasse den Mr: Meuricovre aus Ly on3, der uns aller Orten suchte, an uns auch ein Billiet sammt seiner addreße im august: Kloster Ließ, und uns endlich von ungefähr antraf. Er gieng mit uns in unsere Wohnung und führte uns dann in sein Hauß. wir sollten morgen bey ihm speisen, allein, da wir morgen nach Portici fahren müssen, so kann es nicht seyn. Er empfehlt sich euch allen von Herzen. Er stehet hier mit einem in Compagnie: beyde haben mir ihre Dienste in allen vorfallenheiten angetragen. Du wirst Dich wohl noch eriñern. ein brunetter junger Mensch, der das Italliänische Lied mit den Brillen auf der Nase dem Wolfg: oft hat singen müssen. wie Lange wir hier verbleiben werden, weis Dir noch nicht zu sagen. ich habe keine andere wahl, als 5 wochen oder 5 Monate. Ich glaube aber 5 wochen. Doch kommt alles auf die Umstände an.

Als ich am Tage S.S. Philippi und Jacobi in der Kirche der h: h: Aposteln in Rom das Hochamt hörte, sahe ich ein bekanntes gesicht vor mir stehen. Er näherte sich; und wer war es? – – es [43] war unser ehemaliger bedienter Porta. Er war sauber gekleidet, gespitzte Dätzle, eine goldene uhr x x: Er war in Corsica mit den französ: truppen. den anderen tag kam er mir seine Dienste anzutragen, eben da der h: Meissner angelanget. ich bedankte mich und gab ihm kein gehör. frage nun h: Meissner, er hat ihn gesehen. Der Kerl ist ein avanturier.

Bedaure die Zufälle der fr: Adlgasserin von Herzen, ich hofe sie wird sich wohl befinden meine Empf: an beyde. Die de amicis4 empf: sich sammt ihrer Mutter, bruder x: Dir und Nannerl.

Da wir den Articul wegen dem M is erere gelesen, haben wir alle beyde hell lachen müssen. Es ist desswegen gar nicht die mündeste sorge. Man macht andern orts mehr daraus. ganz Rom weis es; und selbst der Pabst weis es, daß der Wolfg: das Miserere geschrieben. Es ist gar nichts zu beförchten: es hat ihm vielmehr grosse Ehre gemacht, wie das in kurzem hören wirst. Du sollst absolute den Brief aller ort lesen lassen, und solches Se Hf: gnaden zu wissen machen. wenn die Portrait gut getroffen sind, so magst Du ihm zahlen, was du wilst.

Nun muß ich schliessen, dann wir müssen zum Kays. gesandten gr. v Kaunitz. Lebt wohl, wir küssen Dich und die Nannerl 1000 mahl und ich bin Dein alter

Mzt


Hofe Dein Catharr wird längst vorüber seyn.

Fußnoten

1 Die erste Gemahlin des Diplomaten, eine in der italienischen Gesellschaft geschätzte Klavierspielerin.


2 Vgl. hierzu den Brief vom 17. Dezember 1769.


3 Der Kaufmann Meurikoser war wie Tschudi eine frühere Reisebekanntschaft der Mozarts.


4 Die bekannte Sängerin Maria Anna de Amicis.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 44.
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