75. Auf die selige Gnade

[209] 1728.


Grosse Gottheit! ich erstaune

Ueber Deinen Liebes-Rath,

Und worzu mich die Posaune

Deines Reichs gerufen hat.


Hochzeit wird dem grossen Sohne,

Meinem Könige, gemacht,

Und der Sitz in Seinem Throne

Ist mir Armen zugedacht.


Unter denen Engel-Chören

Störte Vasthi Stolz das Fest,

Bis Du sie mit ihren Heeren

In den Abgrund schleudertest.


Damit bautest Du den Tempel

Deiner Pracht von neuem auf,

Und das neue Liebs-Exempel

Blieb zum andern mal im Lauf.1


Endlich gabst Du Dich, o Liebe!

Selber für die Seele dar,

Deine tugendlichen Triebe

Wurden ihr nun allzu klar.


Jener Herr von Oriente

Sprach: Was ist der Königin:

Wenn ich Dich vergnügen könte:

Statt der Antwort sank sie hin.


O du ewiges Gesichte!

O du Glanz der Herrlichkeit![209]

Ich versink vor Deinem Lichte,

Wenn michs noch so sehr erfreut.


Küsse mich, wenns Herz in Wehmuth,

Geht mirs gut, so mach mich blöd,

So verbleib ich in der Demuth,

O du höchste Majestät!

Fußnoten

1 Es ist eine Redens-Art, die so viel sagen will als: nicht zum Zwek kommen.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 209-210.
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